Uwe Ch. Finke
Anfänge der Sozialdemokratie in Höhr-Grenzhausen
Im letzten Drittel des 19.Jahrhunderts zeichnete sich auch in Höhr und Grenzhausen wie in ganz Deutschland eine neue Arbeitswelt ab. Im keramischen Bereich kam es zur Gründung von Fabriken (Siderolithwarenherstellung). Da entsprechende Arbeitskräfte fehlten, warb man Fachkräfte aus dem mitteldeutsch-böhmischen Raum an. Diese brachten vermutlich sozialdemokratisches Gedankengut mit.
Amtlich festgehaltene Aktivitäten von „Sozis“ ( neben den Stimmen zu den Reichtagswahlen 1890 und 1893, bei denen die SPD in den hiesigen Wahlbezirken einige Stimmen errang) stammen aus den Jahren 1894 und 1895. So meldete der Kannenbäckergeselle Josef Breiden als Vorsitzender des hiesigen Arbeitervereines eine öffentliche Versammlung an, berichtete der Höhrer Bürgermeister besorgt an den königlichen Landrat.
Der hatte noch im März 1894 an das Regierungspräsidium nach Wiesbaden gemeldet:
„ Die Sozialdemokraten hatten keine Versammlung berufen und auch sonst keine Tätigkeit entfaltet, welche Anlaß geben könnte zu irgend einer Erörterung. Von den Arbeitgebern sind keine Schritte zur Hebung der Lage des Arbeiterstandes unternommen worden. Zur Zeit ist auch ein solches Vorgehen gar nicht zu erwarten, denn bei der gedrückten Lage der Industrie müssen die Arbeiter es als eine Wohltat ansehen, wenn sie nicht entlassen werden und unter bescheidenen Verhältnissen weiter arbeiten dürfen.“
Die Sorglosigkeit der Behörde schien sich schon im März 1895 aufgelöst zu haben, denn die Versammlung, zu der der Kannenbäckergeselle Paul Trees mit den sozialdemokratischen Redakteuren Hoeh und Vetters aus Frankfurt im Gasthaus Helten geladen hatte, wurde durch den Gendarmen aufgelöst. Begründung war die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und die Unterbindung von Diskussionen.
Die Reichstagswahlen 1898 ergaben in Hillscheid 27, in Höhr 154, in Grenzhausen 53 und in Grenzau 1 Stimme für die SPD.
1907 streikten in Höhr und Grenzhausen die Steinzeugdreher, der erste Streik im Kannenbäckerland überhaupt. Ein Jahr später, 1908. forderte der kgl. Landrat den Höhrer Bürgermeister Gerhards auf:
„ Nach dem kürzlich eingereichten Jahresbericht über den Stand der sozialdemokratischen und anarchistischen Bewegung, sollen in der Gemeindevertretung in Höhr sich 6 Sozialdemokraten befinden. Ich ersuche um eine gefällige Angabe, ob diese Personen tatsächlich als Angehörige der Sozialdemokratie angesehen werden.“ Der Höhrer Beigeordnete August Hanke antwortete: „Dem Herrn Landrat mit der ergebensten Bemerken zurückgesandt, daß die Mitglieder der dritten Klasse der Gemeindevertretung: Josef Breiden, Franz Hammer, Carl Trees, H. Stendebach, Eduard Mono, Joh. Mayer mit als Sozialdemokraten anzusehen sind, als dieselben bei den Landtags- und Reichstagswahlen sozialdemokratische Kandidaten wählen. Ihrer Gesinnung nach sind aber wohl nur Breiden, Hammer und evtl. noch Trees und Stendebach eingefleischte Sozialdemokraten, während die anderen gemäßigte Leute sind. Breiden und Hammer sind Vorsitzende der hiesigen Zahlstellen der sozialdemokratischen Töpfer- bzw. Porzellanarbeiter-Gewerkschaften. In communalen Sachen geben alle 6 meist einheitlich nach anscheinend vorausgegangenen Fraktionsbeschlüssen vor. Ihre Tätigkeit ist vorwiegend pessimistischer kritischer Natur, ist aber seither m.E. für die Gemeinde vielfach nur nützlich gewesen.“
Die Erwähnung dieser sechs „Sozis“ im Überwachungsbericht 1908 sehen wir hier in Höhr-Grenzhausen als offiziellen Beginn der Sozialdemokratie in der Kannenbäckerstadt an
Auch 1910 meldete Bürgermeister Dr. Arnold 6 Sozialdemokraten als Gemeindevertreter der 3.Klasse: neben den schon genannten Breiden, Hammer, Mayer und Trees sind es P-J. Kamp, K.G. Marzi.